2 x NEIN zu den Verkehrssanierungen Aarwangen und Emmentalwärts

Die Grünliberalen Oberaargau stellen sich aus umwelt-, verkehrs- und finanzpolitischen Gründen gegen das Strassenprojekt in Aarwangen. Mit einer Ablehnung durch die Bevölkerung, ist der Weg für eine bessere Lösung frei.

KANTON BERN

Dyami Häfliger

2/25/20238 min read

Aarwangen – Ausgangslage

Auf der engen Ortsdurchfahrt sind Fussgängerinnen und Fussgänger, Velos, Autos, Lastwagen und zudem auch die Züge der Bahnlinie Langenthal–Solothurn unterwegs. In den morgendlichen Spitzenstunden fahren rund 1500 Fahrzeugen durch den Ortskern, knapp jedes neunte ist ein Lastwagen. Die Verkehrssituation entlang der Hauptachse beeinträchtigt die Verkehrsteilnehmenden, besonders jene, die mit dem Velo oder zu Fuss unterwegs sind. Der Schulweg ist gefährlich für die Kinder. Vom Verkehr besonders betroffen sind schliesslich auch die Anwohnerinnen und Anwohner. Der Verkehrslärm ist für sie belastend und die Aufenthalts- und Wohnqualität entlang der Strasse ist stark eingeschränkt.

Der Engpass in Aarwangen wirkt sich auf weite Teile des Oberaargaus aus. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens kommt es praktisch täglich zu Staus, was die Erreichbarkeit der ganzen Region erschwert. Davon betroffen ist nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft. Etliche bekannte und international tätige Unternehmen haben ihren Sitz in der Region. Der Anteil der Industriearbeitsplätze liegt deutlich über dem kantonalen Durchschnitt. Vor allem die exportorientierte Industrie ist auf gute Verkehrsverbindungen, insbesondere zur Autobahn, an- gewiesen. Seit über dreissig Jahren suchen der Kanton und die Region nach einer Lösung. Die vorgesehene Umfahrungsstrasse sowie die Massnahmen an der Ortsdurchfahrt sollen die Verkehrssituation verbessern, Staus reduzieren und Aarwangen mehr Sicherheit und Lebensqualität bringen.

Das Projekt in Kürze – Umfahrungsstrasse

Vorgesehen ist der Bau einer zweispurigen, 3,6 Kilometer langen Strasse für den Durchgangs- und Schwerverkehr. Die neue Strasse zweigt im Wald nord-westlich von Aarwangen von der Kantonsstrasse Niederbipp–Langenthal ab, quert die Aare auf einer 480 Meter langen Brücke, führt etwa einen Kilometer durch Landwirtschaftsgebiet und unterquert den Spichigwald in einem rund 500 Meter langen Tunnel. Anschlies- send führt sie über den vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Risenacher zwischen Aarwangen und Bützberg und mündet östlich von Bützberg über einen Kreisel in die Kantonsstrasse Bern–Langenthal. Die Umfahrung entlastet die Ortsdurchfahrt von Aarwangen und weitere Strassen in der Umgebung deutlich vom Durchgangs- und Schwerverkehr: Berechnungen gehen davon aus, dass die Verkehrsmenge durch den Ortskern etwa halbiert werden kann und wesentlich weniger Lastwagen durch Aarwangen fahren.

Auf der Umfahrungsstrasse, die auch verlagerten Verkehr von anderen Strassen aufnimmt, werden an Werktagen bis zu 14 000 Fahrzeuge erwartet. Die neue Verkehrsführung mit dem leistungsfähigen Anschlusskreisel auf der Kantons- strasse Bern–Langenthal soll Thunstetten und Bützberg vor Schleichverkehr schützen. Der Kanton wird in den zwei Dörfern vor und nach der Eröffnung der Umfahrung Verkehrserhebungen durchführen. Falls notwendig wird er zusammen mit der Gemeinde Massnahmen treffen.

Das Projekt in Kürze – Ortsdurchfahrt Aarwangen

Die Umfahrungsstrasse entlastet Aarwangen vom Durchgangsverkehr. Nach der Inbetriebnahme der Umfahrungsstrasse wird die Ortsdurchfahrt entsprechend umgestaltet und saniert. Dank Massnahmen für den Fuss- und Veloverkehr wird der Ortskern ruhiger und sicherer. Vorgesehen sind unter anderem neue Radstreifen und Gehwege so- wie Mittelinseln, die das Überqueren der Strasse erleichtern. Neu gilt auf der Ortsdurchfahrt (Abschnitte Zentrum und Hard) Tempo 30. Zudem wird ein lärmmindernder Belag eingebaut. Im Zentrum werden sich Bahn und Auto die Spuren teilen. So wird mehr Platz für Velos und Fussgängerinnen und Fussgänger geschaffen. Die neue Gestaltung des Bahntrassees auf und entlang der Ortsdurchfahrt Aarwangen sowie die Ausrüstung der Bahnübergänge mit Schranken helfen, Unfälle zu vermeiden.

Die Aare Seeland mobil AG (asm) modernisiert den Bahnhof Aarwangen und gestaltet ihn hindernisfrei. Die Erneuerung des Bahnhofs ist Teil des Gesamtprojekts, wird aber vollumfänglich von der asm realisiert und finanziert. Ausserdem entsteht mit der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt eine neue, hindernisfreie Haltestelle «Aarwangen Hard». Diese ersetzt die bisherigen Haltestellen «Aarwangen Vorstadt» und «Hard- Mumenthal»

Die ökologischen und landwirtschaftlichen Massnahmen

Das Projekt beansprucht insgesamt 6,3 Hektaren Land dauerhaft. Davon sind rund 4,5 Hektaren landwirtschaftliches Kulturland (alles Fruchtfolgeflächen) und rund 1,6 Hek- taren Wald. Die neue Strasse greift in die Landschaft ein und wirkt sich auf Pflanzen und Tiere und ihre Lebensräume aus. Zudem gehört das betroffene Gebiet dank besonders wertvollen Lebensräumen von gefährdeten Arten zum Smaragdgebiet Oberaargau und ist Teil des europäischen Netzwerks Smaragd. Als Ausgleich für die Eingriffe, welche für die Umfahrungsstrasse nötig sind, werden zahlreiche Ersatzmassnahmen und Renaturierungen vorgenommen. Geplant sind etwa Wiederaufforstungen, artenreich bepflanzte Böschungen, Nistkästen, das Anle- gen von Tümpeln für Amphibien, von Hecken und Feuchtwiesen sowie die Offenlegung von Bächen.

Wie viel kostet das Projekt und wie wird es finanziert?

Die Gesamtkosten für die Umfahrung, die Sanierung der Ortsdurchfahrt, des Bahnhofs und die verkehrsbedingte Landumlegung belaufen sich gemäss Projekt auf 194,1 Millionen Franken. An den Kosten beteiligen sich das Bundesamt für Strassen ASTRA und das Bundesamt für Landwirtschaft BLW wie auch die Aare Seeland mobil AG mithilfe des Bahninfrastrukturfonds des Bundes. Weitere Finanzierungsbeiträge stammen von Gemeinden sowie von Werken, die ihre Leitungen sanieren. Die Gesamtkosten zulasten des Kantons werden mit 107,7 Millionen Franken brutto veranschlagt. Darin enthalten sind bereits früher bewilligte Projektierungskosten von insgesamt 9,9 Millionen Franken. In dieser Volksabstimmung entscheiden die Stimm- berechtigten so- mit über einen Kredit von 97,8 Millionen Franken für die Ausführung der Verkehrssanierung Aarwangen.

Wieso sind die Grünliberalen gegen die Umfahrungsstrasse Aarwangen?

Wir sind aus umwelt-, verkehrs- und finanzpolitischen Gründen gegen den Verpflichtungskredit für die Verkehrssanierung Aarwangen aus.

Kulturlandverlust und Eingriff in schützenswertes Smaragd- und Naherholungsgebiet

Die geplante Umfahrungsstrasse führt mitten durch wertvolles Kulturland. Fruchtbare Ackerfläche und damit eine wichtige Ressource für die einheimische Lebensmittelpro- duktion geht dadurch für immer verloren. Die Strasse würde die Landschaft bleibend verändern und schützenswerte Lebensräume erheblich beeinträchtigen. Sie führt durch ein Gebiet, in welchem zahlreiche gefährdete und seltene Tier- und Pflanzenarten vorkommen.

Widerspruch zum Klimaschutz

Die geplante Umfahrungsstrasse bedeutet einen massiven Ausbau der regionalen Strassenkapazität und führt zu Mehrverkehr, der ohne Umfahrungsstrasse nicht auftreten würde. Das Projekt steht somit im Widerspruch zum Klimaartikel in der Kantonsverfassung und zu den Klimazielen des Bundes (Netto-Null bis 2050).

Verkehrsprobleme werden verlagert

Mit dem Bau der Umfahrungsstrasse werden die Verkehrsprobleme nicht gelöst, sondern allenfalls verlagert. Nach Ansicht des Komitees ist zwischen Bützberg und Langenthal mit einer permanenten Überlastung der Bern-Zürich-Strasse zu rechnen, was insbesondere in Bützberg und Thunstetten zu zusätzlichen Staus und deutlichem Mehr- und Umwegverkehr führen wird.

Finanzpolitisch unverantwortlich, fraglicher Nutzen

Das Projekt ist mit geplanten Ausgaben von 194 Millionen Franken sehr teuer und das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht gut genug. Die sehr knappen Finanzmittel des Kantons müssen für nachhaltigere Projekte im ganzen Kanton eingesetzt werden. Verbesserungen der Verkehrssicherheit auch ohne Umfahrung Mit einer Aufwertung des bestehenden Strassenraumes in Aarwangen kann die Si- cherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer deutlich günstiger und in kürzerer Zeit verbessert werden. Viele Ortschaften im Kanton Bern mit einer ähnli- chen Verkehrsbelastung konnten bessere und kostengünstigere Lösungen finden («Berner Modell» z.B. in Wabern, Köniz und Burgdorf, jeweils bei deutlich höheren Verkehrsmengen als in Aarwangen).

Verkehrssanierung Emmentalwärts

Emmentalwärts – Ausgangslage

Die Verkehrsbelastung in Burgdorf, Oberburg und Hasle b. Burgdorf ist seit Jahrzehnten hoch. An Werktagen sind rund 19 000 Fahrzeuge auf der Verkehrsachse durch diese drei Ortschaften unterwegs. Deshalb gibt es Verspätungen für die Buslinien, Sicherheitsdefizite namentlich beim Fuss- und Veloverkehr und eine eingeschränkte Lebensqualität entlang der Strasse.

Das Projekt in Kürze

Das Projekt trägt dem Umstand Rechnung, dass Oberburg und Hasle b. Burgdorf hauptsächlich vom Durchgangsverkehr betroffen sind. Deshalb sollen die beiden Orte künftig umfahren und die Ortsdurchfahrten entlastet und umgestaltet werden. Um die Situation für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sowie für die Be- völkerung zu verbessern, sind insgesamt 19 aufeinander abgestimmte Massnahmen vorgesehen. Zentral sind dabei die Umfahrungen für Oberburg und Hasle. Vorgesehen sind auch Dosierstellen und zwei neue Bahnunterführungen in Burgdorf, um den Ver- kehr zu verflüssigen. Die Dosierstellen sind Ampelanlagen, welche den Verkehr am Ortsrand aufhalten, sobald der Verkehr im Ortskern zähflüssig wird. Das Projekt beansprucht Kulturland und es bringt Eingriffe ins Grundwasser mit sich. Deshalb sind besondere Vorkehrungen nötig.

Massnahmen in Burgdorf

  • Ersatz der beiden Bahnübergänge Buchmatt und Spital durch Unterführungen

  • Möglichst freie Fahrt für die Busse dank drei neuer Busspuren und Lichtsignal- anlagen, die so gesteuert sind, dass Busse zügig zur nächsten Haltestelle gelangen

  • Verkehrsdosierungen, um den Verkehr auf der Ortsdurchfahrt im Fluss zu halten

  • Diverse Verbesserungen für den Fuss- und Veloverkehr

Massnahmen in Oberburg

  • 1500 Meter lange Umfahrung von Oberburg mit dem 1100 m langen Tunnel

  • Verkehrsberuhigung und Umgestaltung der Ortsdurchfahrt, Tempo 30

Massnahmen in Hasle b.B.

  • Umfahrung Hasle b.B. westlich des Bahnhofs, Wegfall des Bahnübergangs

  • Umgestaltungen beim Bahnhof Hasle

  • Verbesserungen des Verkehrsflusses und der Busführung beim Kreisel Biembach

  • Verbesserungen der Verkehrssicherheit und Bushaltestellen in der Tschamerie

Finanzierung

Der zu bewilligende Baukredit für das Projekt beläuft sich auf 313,9 Millionen Franken. 212 Millionen Franken dieses Kredits sollen aus Geldern des Investitionsspitzenfonds finanziert werden. Abzüglich weiterer Beiträge Dritter verbleiben voraussichtlich Kosten von insgesamt 112,7 Millionen Franken, die über das ordentliche Kantonsbudget finanziert werden müssen.

Wieso sind die Grünliberalen gegen die Umfahrungsstrasse Emmentalwärts?

Wir sind ausumwelt-, verkehrs- und finanzpolitischen Gründen gegen den Verpflichtungskredit für die Verkehrssanierung Burgdorf– Oberburg–Hasle aus.

Finanzpolitisch unverantwortlich, fraglicher Nutzen

Das Projekt ist mit geplanten Ausgaben von 420 Millionen extrem teuer und das Kosten- Nutzen-Verhältnis nicht gut genug. Bereits bei einer Überschreitung der veranschlagten Kosten um 10 Prozent droht das Kosten-Nutzen-Verhältnis ins Minus zu kippen. Aktuell steigen die Baukosten deutlich schneller als die Löhne, was sich negativ auf das Kosten- Nutzen-Verhältnis auswirkt. Der durchschnittliche Zeitgewinn für Durchfahrende zwischen Hasle und der Autobahn in Kirchberg beträgt wenige Minuten. Die sehr knappen Finanzmittel des Kantons müssen für nachhaltigere Projekte im ganzen Kanton eingesetzt werden.

Widerspruch zum Klimaschutz, Gefahr für die Trinkwasserversorgung

Die geplanten Umfahrungsstrassen bedeuten einen massiven Ausbau der örtlichen Strassenkapazität und führen zu Mehrverkehr, der ohne Umfahrungsstrassen nicht auftreten würde. Das Projekt steht im Widerspruch zum Klimaartikel in der Kantons- verfassung und zu den Klimazielen des Bundes (Netto-Null bis 2050). Der in Oberburg geplante Tunnel unter dem Niveau der Emme birgt ein Risiko für den Grundwasser- strom und das Trinkwasser der ganzen Region. Zudem werden Betrieb und Unterhalt des Tunnels eine Unmenge an Strom benötigen und den Kanton viel Geld kosten, das in den Baukosten nicht enthalten ist.

Verkehrsprobleme werden verlagert, die Planung basiert auf veralteten Prognosen

Mit dem Bau der Umfahrungsstrassen werden die Verkehrsprobleme nicht gelöst, sondern bestenfalls verlagert. Die neuesten Verkehrsperspektiven des Bundes gehen davon aus, dass der motorisierte Individualverkehr bis 2050 deutlich weniger stark wach- sen wird als bisher angenommen.

Es gibt Alternativen: Optimierungsmassnahmen ausschöpfen

Es gibt eine Vielzahl von wirksamen Optimierungsmassnahmen auf der bestehenden Strasse, die schneller und viel günstiger umsetzbar sind. In vielen Ortschaften des Kantons wurde dies mit Erfolg umgesetzt («Berner Modell» z.B. in Wabern, Köniz, Burgdorf und aktuell in Münsingen, jeweils bei höheren Verkehrsmengen als in Oberburg und Hasle). Die Verbesserungen in Burgdorf rasch umgesetzt werden.

Verkehrssanierung Aarwangen

Zusammenfassung unserer Haltung:

Die Umfahrungsstrasse Aarwangen verursacht hohe Kosten und wertvolles Kulturland geht verloren. Einzig für die Gemeinde Aarwangen scheint die Umfahrung eine Lösung zu sein, nicht aber für die gesamte Region. Die Verkehrsprobleme werden verlagert, aber nicht gelöst. Es gibt Alternativen, die bei geringeren Kosten Entlastung bringen. Das Projekt «Emmentalwärts» ist noch teurer und finanzpolitisch unverantwortlich. Bei einem fraglichen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht die Vorlage im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen in der Kantonserfassung. Verkehrsprobleme werden nur verlagert, und die Planung basiert auf veralteten Prognosen. Die möglichen Optimierungsmassnahmen und Bahnunterführungen sollen umgesetzt werden, aber der Baukredit in dieser Höhe ist klar abzulehnen

Wieso stimmen wir über die Vorlagen ab?

In der Sommersession 2022 hat der Grosse Rat zwei Verpflichtungskredite für die Verkehrssanierungen Aarwangen und Emmentalwärts bewilligt. Die Projekte soll die betroffenen Dörfer mit Umfahrungsstrassen und diversen Massnahmen vom Verkehr entlasten. Ein Komitee hat gegen diesen Beschluss erfolgreich das Referendum ergriffen. Deshalb stimmen wir am 12. März über diese Verpflichtungskredite ab